Wieso Veränderungen so schwerfallen

Wieso Veränderungen so schwerfallen

Wieso Veränderungen so schwerfallen

Es hat mit Routinen zu tun

Die Hirnforschung hilft uns zu verstehen, wieso wir so träge Gewohnheitstiere sind.

Man kann die Erfahrungen, die wir im Laufe unseres Lebens machen – und die im Gehirn gespeichert sind – vergleichen mit Spuren, die die Besucher eines winterlichen Parks im Schnee hinterlassen.

Die Menschen kommen durch das Eingangstor in den Park. Weil es kalt ist, finden sie schnell den Weg zum Glühweinstand und von dort – nachvollziehbarerweise – zum WC. Kurz vor Weihnachten kommt für einige der Souvenirshop des Parks gerade recht. Es führt eine Spur also auch dorthin.

Lässt man eine Drohne fliegen, kann man die Spuren von oben sehr schön sehen.

Man erkennt, dass die Trampelpfade nicht optimal angelegt sind. Die wurden ja auch nicht vom Landschaftsgärtner geplant, sondern sind spontan durch die ersten Besucher entstanden, denen weitere gefolgt sind. Schließlich wollten diese trockene und warme Füsse behalten. Dazu haben sie gerne einen Umweg in Kauf genommen und sind den Weg des geringsten Widerstandes gegangen.

So wie sich die Pfade durch ihren Gebrauch in den Schnee frästen, entstehen Spuren in unserem Gehirn durch die Erfahrungen, die wir machen. Denkweisen, Marotten und Überzeugungen prägen sich so im Laufe der Zeit aus. Eindrücke, die wir zwar einmalig erleben, die uns aber nicht nachhaltig bewegen, sind wie Spuren einzelner Besucher im Schnee, denen kaum andere folgen: Sie werden wieder zugeweht und bleiben unbedeutend.

Welchen Vorteil haben solche Spuren in unserem Gehirn?

Sie erleichtern uns das Leben phänomenal! Täglich prasseln Millionen von Sinneseindrücken auf uns ein: Geräusche, Gerüche, Farben, Formen, Bewegungen und Berührungen. Wie gut, dass wir nicht jeden Eindruck bewusst abarbeiten müssen, sondern unser Hirn im Unterbewusstsein die allermeisten ausfiltert. Dank der ausgetretenen Spuren kann es die eingehenden Informationen sehr effizient verarbeiten. Dadurch konnten unsere Vorfahren schneller reagieren, wenn plötzlich ein Säbelzahntiger ins Sichtfeld kam. Uns hilft dieser Mechanismus beim Gehen, Autofahren oder anderen routinemäßig ausgeführten Tätigkeiten.

Diese Routinen machen uns allerdings das Leben schwer, wenn wir unser Verhalten ändern wollen.

Wie es trotzdem gelingt?

Stellen wir uns vor, dass der oben erwähnte Souvenirshop eines Tages geschlossen bleibt und etwas entfernt ein mobiler Stand aufmacht. Die Besucher benutzen den alten Trampelpfad zum Shop und verlängern ihn einfach bis zur neuen Bude. Auch wenn es theoretisch besser wäre, einen neuen Weg zu bahnen.

So funktioniert auch unser Gehirn. Was dabei passiert nennen wir “lernen”. Neue Eindrücke und Erkenntnisse bauen auf bestehenden auf und verändern unsere Handlungsmuster ein kleines bisschen. Machen wir Erfahrungen immer wieder, verfestigen sich die Muster.

Viele kleine Wahrnehmungen (einzelne Schritte) spielen da ebenso eine Rolle wie wenige einschneidende Erlebnisse (wenn z.B. das Räumfahrzeug einen Weg bahnt).

Wenn uns jemand vorschlägt, etwas in unserem Leben zu verändern, stehen wir dem genauso skeptisch gegenüber, wie wenn uns jemand vorschlägt, eine neue Spur durch den unberührten Schnee zu legen. Vor allem, wenn wir mit den bisherigen Wegen gut gefahren sind, werden wir uns das dreimal überlegen. Oder gar nicht darüber nachdenken. Denn Denken ist Arbeit und strengt an.

Klar ist auch, dass es stark darauf ankommt, wie uns jemand einen neuen Weg nahelegt. Tut er das missmutig mit erhobenem Zeigefinger, werden wir keine großartige Lust verspüren, seinen Rat zu befolgen. Tut er es mit aufrichtiger Begeisterung werden wir schon eher bereit sein, den Fuß in den knöchelhohen Schnee zu setzen. Wenn er uns verspricht, dass es dort hinten den Glühwein kostenlos gibt und für die ersten zehn Gäste sogar noch eine Zuckerwaffel dazu, stapfen die meisten von uns unverzüglich los. Rufen von dem tollen neuen Glühweinstand sogar Freunde zu uns herüber, werden wir nicht mehr zu stoppen sein.

Aufs Abnehmen bezogen bedeutet das:

Ein nüchterner, nörgelnder Gesundheitsexperte wird dich kaum dazu bewegen können, lieb gewonnene Essensmuster dauerhaft zu ändern oder von nun an täglich joggen zu gehen. Schafft es dagegen jemand, in dir verlockende Bilder von einem Leben mit leckerem Essen und guttuender Bewegung zu verankern, wirst du es versuchen. Wenn du die Veränderungen nicht alleine tun musst, sondern dein Umfeld ebenfalls mitmacht, steigen deine Chancen zusätzlich, dass du es schaffst.

In der Hirnforschung wird die Fähigkeit des Gehirns, neue Wege zu beschreiten, d.h. sich zu verändern, Plastizität genannt. Bei der Geburt ist sie sehr groß, nimmt dann aber im Laufe der Jahre immer mehr ab. Deshalb fällt es Erwachsenen schwerer, Sprachen zu lernen. Oder einen gesunden Lebensstil.

Aber es funktioniert – nur etwas langsamer.

Man kann sich das vorstellen wie eine alte Vinyl-Schallplatte. Beim Abspielen folgt die Nadel der Rille. Es dudelt das Lied. Will man sie mit Gewalt über die Platte ziehen, um zu einem anderen Lied zu gelangen, ertönen hässliche Kratzgeräusche aus dem Lautsprecher. Das macht keinen Spaß.

Erfolgt die Veränderung jedoch mit Verstand – das heißt, hebt man den Tonabnehmer behutsam hoch und setzt ihn an anderer Stelle wieder ab – erklingt ein neues Lied. Jetzt macht’s wieder Spaß. Nur anders.

 

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